Hüttentour im Virgental: Tagesetappe 4
- manuelhoettges7
- 5. Nov. 2022
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. Nov. 2022
Bonn-Matreier-Hütte über Galtenscharte zur Badener Hütte

Gegen 8 Uhr am Morgen stehen wir nach einer sehr erholsamen Nacht wieder vor der Hütte. Im übrigen ist ganz interessant, dass wir durchaus mit Blasen an den Füßen zu kämpfen hatten, aber der größere Phantomschmerz bis heute der, der für das Gewicht auf Dauer nicht ausreichend gepolsterten Riemen des Rucksacks.
Zwar haben wir uns im Vorfeld der Hüttentour mit unserer Ausrüstung intensiv auseinandergesetzt und unter Realbedingungen getestet (wir haben Bücher reingepackt, um auf das Testgewicht zu kommen), aber es ist dann doch noch mal etwas anderes, wenn man mehrere Stunden am Tag 15 kg auf zwei Riemen verteilt, die bereits nach dem zweiten Tag blaue Flecken auf den Schultern hinterlassen haben.
Heute ist Tag 4. Wir schultern also unsere Rucksäcke und weinen kurz vor Schmerz. Dann schauen wir uns kurz den ersten Teil unserer heutigen Tagesetappe auf der Karte an, vergleichen die Wegführung mit der, die wir auf unsere Uhren geladen haben, und gehen los.
Es ist relativ frisch nach dem ziemlich warmen Vortag und der Himmel kündigt zunächst nicht unbedingt schlechtes aber zumindest anderes Wetter als gestern an. Die am Morgen noch lockeren Wolkenfelder werden nicht mehr verschwinden.

Der Weg führt uns zunächst durch das Blockwerk einer Senke östlich der Bonn-Matreier-Hütte in Richtung Kälberscharte. Der Weg ist nicht sonderlich anspruchsvoll, aber kurz vor der Scharte immerhin abschüssig genug, um hier sich im Falle eines Sturzes erst mal gute 20 m nicht halten zu können. Deshalb entscheiden wir uns dafür, noch vor der zum Teil seilversicherten Kälberscharte, deren Zacken bedrohlich über uns aufragen, unsere Klettersteigsets anzuziehen. Von der Scharte aus blicken wir noch einmal letztes mal zurück zur Bonn-Matreier Hütte, wie sie vor dem Panaorama der Lasörlinggruppe auf dem Felskamm steht.
Danach steigen wir die Kälberscharte auf der anderen Seite wieder gut 30 m wieder hinab und bewegen uns durch immer groberes Gelände auf den Galtenkogel und die links davon gelegene Galtenscharte zu. Einige Felsblöcke sind nicht wirklich fest, weshalb wir manche Trittstellen sicherheitshalber antesten, bevor wir uns mit vollem Gewicht darauf stellen. Etwas unterhalb von uns erkennen wir den Grundriss einer Hütte, die hier mal gestanden haben muss. Aufgrund der Lage unterhalb der steilen Flanken der umliegenden Gipfel dürften in diesem Bereich hier vor allem im Winter häufiger Lawinen abgehen. Die Sajathütte im Sajatkar liegt ähnlich und wurde vor einigen Jahren im Winter von einer Lawine komplett dem Erdboden gleichgemacht. Gut möglich, dass es hier ähnlich war mit dem Unterschied, dass die Sajathütte lawinensicher wiedererrichtet wurde.
Der Steig führt uns parallel zum Hang mit leichter Steigung unterhalb von nicht unbedingt vertrauenserweckenden Felstürmen nach Osten, bis schließlich wieder ein seilversicherter Teil beginnt, der uns schnell die knapp 80 Höhenmeter hinauf zur Galtenscharte führt. Von hier aus haben wir einen unfassbar schönen Ausblick auf die rund 900 Meter unter uns liegende Zedlacher Alm und das Frosnitztal. Weiter hinten sehen wir den Großglockner, der sich immer mehr in Wolken hüllt.

Das Gesetz der Schwerkraft besagt, dass alles, was raufgeht auch irgendwann wieder runterkommt. Beim Blick von hier oben fehlt uns aber zunächst die Vorstellungskraft darüber, wie das funktionieren soll, ohne den direkten Weg zu nehmen. Später werden wir übrigens zurückschauen und uns genau dieselbe Frage stellen: Wie sind wir da runter gekommen?
Es beginnt also der anspruchsvollste Teil unserer Tour bis hierhin. Im Gegensatz zur südlichen Flanke der Galtenscharte besteht der Untergrund hier aus sehr feinem und etwas feuchtem Schutt in einem Gelände, das auf den nächsten gut 250 Höhenmetern ein Gefälle von 45 Grad und mehr aufweist. Bei jedem Schritt rutscht der Schutt unter den Füßen ein wenig in Richtung Tal. Wir klinken uns wieder ins Drahtseil ein, gehen vorsichtig weiter und behalten neben dem Weg uns auch immer den Hang und die Felsen über uns im Auge. Wenn hier loser Schutt liegt, der leicht ins Rutschen gerät, wird von oben wohl auch regelmäßig neuer nachkommen.

Einige Zeit später befinden wir uns direkt unterhalb des Galtenkogels, als der Weg nach links abbiegt und uns deutlich steiler bergab führt. Nach wie vor über wenig stabilen Schutt. Schließlich erreichen wir bewachsenes Gelände, durch das uns der Steig noch weitere recht steile 100 Höhenmeter abwärts führt. Dann wird es deutlich flacher und wieder felsig, bis wir schließlich den Malfrosnitzbach erreichen, der vom Hexenkees und den Schneefeldern unterhalb der Seeköpfe gespeist wird. Dort machen wir kurz Rast.
Auf dem nun folgenden Pad machen wir wieder ein paar Höhenmeter gut und schauen zurück auf die Wand, die uns in den vergangenen Stunden beschäftigt hat. Dass dort überhaupt ein Steig entlang führt, kann man sich von hier unten kaum vorstellen.

Ähnlich wie auch am Vortag verläuft der Weg hier relativ steigungsarm parallel zum Hang. Dieser ist zwar nach rechts abschüssig, aber von einer seilversicherten Passage abgesehen nicht herausfordernd.

Das Frösnitztal gilt als eines der schönsten, was vermutlich daran liegt, dass es nur wenig erschlossen ist. Es ist im unteren Bereich relativ schmal und eine wirkliche Talsohle, die sich zur Bebauung eignen würde, gibt es einfach nicht. Deshalb führt hier nur ein Fahrweg hoch bis zur Zedlacher Alm, der noch ein weniger weiter talaufwärts führt und dann zu einem Steig wird, über den man die Badener Hütte erreicht. Zwar wird das Tal weiter oben etwas weiter, aber abgesehen von der Badener Hütte kommt hier nichts mehr. Zumindest nichts, was sich bequem erwandern ließe, wenn man vom Tal aufsteigen und abends wieder zuhause sein möchte.
Deshalb ist es hier auch extrem ruhig. Umgeben von 3.000ern und einigen Gipfeln, die an dieser Marke kratzen folgen wir dem Pfad immer weiter Richtung Talabschluss. Im Gegensatz zu der Talseite, auf der wir uns befinden, sieht die gegenüberliegende Seite mit ihren großen Wiesenflächen etwas sanfter aus. Links von uns geht steil bergauf, rechts von uns steil bergab. Dazwischen wir und hin und wieder ein paar Schafe. Kein Tag ohne Tierkontakt.

Kurze Zeit später erreichen wir einen kleinen Teich, der im Zusammenspiel mit der zunehmenden Bewölkung, dem Sonnenlicht und dem durch die Jahreszeit schon in etwas wärmere Farben getauchten Bodenbewuchs ein wunderbares Fotomotiv abgibt. Während wir, seit wir die Galtenscharte hinter uns gelassen hatten, fast durchgehend das Höhenniveau gehalten haben, geht es von nun an wieder bergauf. 350 Höhenmeter sind es noch bis zur Badener Hütte.

Schließlich erreichen wir den Gletscherbach, der von Eisflächen gespeist wird, die sich von hier bis zum mehrere Kilometer entfernten Großvenediger erstrecken und laut Karte auch hier schon "Schlatenkees" genannt werden, obwohl die Zunge des eigentlichen Schlatenkees erst hinter dem Bergkamm, den wir morgen überqueren würden, liegt. Das ist zumindest das Schlatenkees, das in den jährlichen Gletscherberichten aufgeführt wird.
Der hier liegende Teil des Gletschers ist auch ehrlicherweise nicht annähernd so beeindruckend. Die Eisfläche ist im unteren Bereich offensichtlich sehr schnell einer Schuttwüste gewichen und einige hundert Meter weiter oben liegt der Gletscher ziemlich flach am Hang.
Es beginnt der frustrierendste Teil dieser Etappe. Denn während wir der alten Seitenmoräne des Gletschers folgen, der da oben so traurig am Berg klebt, können wir die Badener Hütte schon sehen. Alle 50 Meter müssen wir kurz rasten und durchpusten. Es beginnt leicht zu nieseln. Für die restlichen etwa 250 Höhenmeter brauchen wir noch ungefähr eine Stunde und erreichen schließlich die Hütte. Dort treffen wir im Gastraum auf zwei Südtiroler, die wir schon auf der Bonn-Matreier Hütte gesehen hatten. Die beiden sind neben noch einem weiteren Pärchen die einzigen Gäste der Hütte, weshalb uns die Hüttenwirte ein eigenes Doppelzimmer anstelle des gebuchten Matratzenlagers zur Verfügung stellen.
Unser Zimmer liegt im relativ alten Teil der Hütte. Es ist dunkel, alles knarzt und draußen hören wir den Wind pfeifen. Es ist wundervoll! Wir beziehen unser Quartier, hängen ein paar Kleidungsstücke zum Trocknen auf und schlüpfen wieder in unsere Hüttenklamotten. Dann geht's wieder runter in die Gaststube, wo wir die Zeit bis zum Abendessen mit warmen Waffeln und Frittatensuppe überbrücken. Wir beobachten die Wolken, die über den gegenüberliegenden Bergkamm langsam in unser Tal schwappen. Mittlerweile ist alles grau und nichts mehr von dem herrlichen Wetter des Vortages zu sehen.
Später gibt es dann Geschnetzeltes mit Reis und zum Abschluss Schnaps mit den beiden Südtirolern, die sich zu uns an den Tisch setzen.
Als wir gegen 21 Uhr ins Bett fallen, hören wir es vereinzelt in einiger Entfernung krachen, weil von den steilen Felswänden rund um den Gletscher Steine aufs Eis abgehen. Mit diesen Klängen und mit der Vorfreude auf den kommenden Tag schlafen wir schließlich ein.
















































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